Der kynologische Hund
„Sei schlau und stell Dich dumm“ (Daniela Katzenberger)
„Dumm Di Dumm Du Dumm“ (Luna B. Tausendschön)
Was wir nicht alles von ihnen erwarten? Wie ist das nur gekommen? Hunde haben in unserer modernen Welt wirklich kein leichtes Leben mehr. Was reden und schreiben wir nicht alles darüber, wie viel wir von unseren Hunden so lernen könnten: Gelassenheit, Ruhe, Empathie, bedingungslose Liebe und was weiß ich noch. Was sie alles sein sollen! Vom Plüschkumpel über Kinderersatz bis hin zum Zen-Meister, fast alles was die menschliche Vorstellungskraft hergibt ist mit dabei. Hundeliebe ist voll im Trend, aber wo bleiben die Hunde dabei?
Ich liebe meine Hunde über alles, sie sind für mich meine Familie und ich würde für sie durchs Feuer gehen - und sie für mich. Aber wie sieht es wirklich aus für für den armen Kerl von Hund an meiner Seite?
Wir wollen sie überall mit hinnehmen können: In die Stadt, auf den Flohmarkt und in die Umkleidekabine des Bekleidungshauses. Sie sollen dabei möglichst ruhig sein und niemandem auf den Keks gehen. Beim täglichen Schnellgassi auf der Straße sollen sie sich unauffällig benehmen und nahezu alle Regeln des menschlichen Miteinanders respektieren - was für eine harte Aufgabe, oder? Im Wald sollen sie dann auch mal die Sau raus lassen, ganz Hund sein und so richtig frei von allen Zwängen - bis zum nächsten Pfiff, Ruf oder einem anderen Signal des stolzen Hundebesitzers. Die inneren schwedischen Gardinen auf Kommando sofort wieder hochziehen und je nach unserer Lust und Laune wieder runterlassen. Was für eine Herausforderung für eine kleine Seele. Auf der Straße und auf dem Hundeplatz sollen sie sich von allen anfassen lassen und zu Kindern sollen sie immer freundlich sein. Jeder darf ihnen Leckerchen ohne Ende reinstopfen, aber Betteln ist verboten: Hunger und Verzicht auf Befehl, was für eine Arbeitsleistung, die die Kleinen da vollbringen. Mit allen anderen Hunden sollen sie klarkommen, egal ob groß oder klein, und mit jedem ausgelassen rumtollen und spielen: Weil wir das so toll finden, auf unsere Hundlerkontakte nicht verzichten wollen und das alles sowieso die beste artgerechte Auslastung der Welt ist. Eine eigene Meinung dürfen sie nicht haben, weder zu den Anmachen des unsympathischen Kollegen noch zu unfreundlichen Menschen. An der Leine immer die Klappe halten, sich nie weiter als einen Meter von Euch entfernen und die unmöglichsten Situationen stoisch ertragen, die wir ihnen zumuten: das ist der Alltag unserer modernen Hunde!
Menschen die ohne Ende freundlich grinsen und andauernd vor sich her lachen landen irgendwann beim Psychiater - nur für Hunde soll das der Alltag sein, lebenslang! Was für eine beknackte Welt …
Ja, früher war alles besser, oder? Nein, auf gar keinen Fall, es war einfach nur wesentlich übersichtlicher. Noch in den Neunzigern gab es die, die fast täglich mit ihren Hunden auf dem Hundesportplatz waren und die, die mit ihrem Hund dreimal täglich an der Leine durch den Wald geschlichen sind. Es gab erfahrene Hundehalter und welche, die noch etwas mehr Ahnung hatten. Man hatte sich getroffen, sich ausgetauscht und auf eine ganz archaische Art und Weise haben die Jüngeren von den Älteren gelernt. Manche wurden Übungsleiter in Hundevereinen und einige engagierte Hundler fingen an, die ersten Agility-Gruppen in Deutschland aufzubauen. Ja genau, die Schutzhunde-Vereinsmeierei hatte damals schon genervt! Die Auskennerei in Sachen Hund war aber noch ein Ehrenamt und meistens sogar eine Ehrensache. Den ‚Beruf‘ des Hundetrainers gab es noch gar nicht und nur ganz wenige trauten sich, privat eine Hundeschule aufzumachen. Nach guten Büchern über Hunde musste man regelrecht suchen, aber wenn man eines gefunden hatte, dann hatte man auch eines gefunden. Und nochmal nein, es war nicht alles gut damals, es war einfach nur übersichtlicher. Leute die mit ihrer Ahnung über Hunde angaben, mussten auch wirklich welche haben, weil ansonsten keiner auf sie gehört hatte. Das alles hat das Hundeln leicht gemacht und irgendwie, ich glaube es fast, gab es auch wesentlich weniger Hunde und Hundemenschen, was das Hundeln ebenfalls leichter gemacht hatte.
Und, ach ja, das Internet, was ist bitte das Internet? Das gab es damals noch gar nicht, geschweige denn Facebook, und wer sich informieren wollte, musste entweder lesen oder mit anderen reden - oder beides!
Aber wer hat den jetzt den Nutzen von diesem ganzen Stress, wenn schon nicht die Hunde? Wird die Welt immer komplizierter, die Hunde immer lernresistenter oder wird Ottonormalhundehalter immer blöder?
Also: Heute brauchst Du nur einen Hund, in Deinem erlernten Beruf nicht klarkommen und Du wirst Hundetrainer - oder gleich Hundepsychologe. Ein paar Kurse am Wochenende, einen Schnelltest bei einem anderen Hundetrainer und jede Menge Kohle los geworden: Schupps hast Du einen neuen Beruf von dem einige sogar sagen, sie hätten ihn studiert - mal eben so. In einem Fünf-Tage-Intensivkurs wirst Du zum Ernährungsexperten für Hunde - irgendwo. Aber egal, denn Du hast jetzt einen Zettel mit Unterschrift und Stempel wo das genau so drauf steht. Herzlich willkommen im Wunderland der Kynologie. Hier geht alles, hier bist Du wer und außer einer großen Klappe wird von Dir weiter nichts erwartet. Jeder Handwerker braucht in diesem Land mindestens zwei Jahre Vollzeit bis er sich Handwerker nennen darf. Im Wunderland eröffnest Du einen Hundeblog, schreibst ein paar ‚Schulreferate‘ über aktuelle Hundethemen und Du darfst Dich ohne jede Scheu Journalistin nennen. Du hast schwierige Hunde oder Schwierigketen mit Deinen Hunden und schwupssdibupps bist Du eine Auskennerin in Sachen Problemhund – kynopädagogische Beratungen von frustrierten Hundehaltern eingeschlossen.
Nö ehrlich, ich möchte in dieser Welt keine Ersthundebesitzerin sein. Welpenspielgruppe, Junghundeschule, Hundesport (selbstverständlich gewaltfrei) und später die Anti-Aggressions-Gruppe mit eingebauten DogRelax. Gibt es eigentlich schon pränatale Hundegruppen? Das schlechte Gewissen ist eingebaut und vorprogrammiert. Professionelle Hundeahnungshaber schießen überall wie die Pilze aus dem Boden und Ottonormalhundehalter wird kategorisch für unfähig erklärt, seinen Hund alleine zu erziehen - oder zu trainieren, oder zu führen, oder zu beclickern, oder zu bekeksen. Bauchgefühl im Umgang mit unseren Hunden ist gerade wieder angesagt, die eigenen Intuition unglaublich hipp. Aber bitte nicht in Alleingang, und nur unter Begleitung von befähigten Berufsauskennern, denn wo kämen wir da sonst hin. Immerhin gibt es ja den Beruf des Hundetrainers und dann muss das ja auch sinnvoll sein, da hin zu gehen. Unverantwortlich ist, wer das nicht tut! Man könnte ja die falsche Methode anwenden, den Hunden zu wenig artgemäße Sozialkontakte bieten oder sie mit dem eigenen Unwissen total überfordern - oder unterfordern. Und dann womöglich noch Ratschläge des hundeerfahrenen Nachbarn anwenden, wo kommen wir da hin?
Ja genau, der Mensch ist von Natur aus unfähig mit dem Hund umzugehen - und Hunde sind von Natur aus unfähig, sich auf den Menschen einzustellen Deshalb hat der Hund sich dem Menschen ja auch vor zig-tausenden von Jahren angeschlossen: damit wir endlich mal zum Hundetrainer gehen!
Nein, die Welt ist nicht komplizierter geworden. Abgesehen davon, dass es wohl tatsächlich immer mehr Hunde gibt und Hundler, die sich mit ihrer Situation auseinandersetzen, ist alles beim alten geblieben. Die Welt ist mit einigen Ausnahmen immer noch die gleiche und auch unsere Hunde ticken immer noch wie Hunde. Es gibt einfach nur immer mehr Menschen, die davon leben, dass die Welt für unsere Hunde kompliziert ist – und in dieser Hinsicht, da war früher wirklich alles besser!
Und den noch: Natürlich gibt es es auch die Guten, ich kenne sogar eine ganze Menge davon. Menschen, die sich mit Leib und Seele dem Beruf des Hundetrainers verschrieben haben, über langjährige Erfahrungen mit Hunden verfügen und verdammt viel Geld in eine fundierte Ausbildung inverstiert haben. Liebe Leute, Euch habe ich hier nicht gemeint. Von Euch gibt es leider nur viel zu wenige!
Moin Moin!
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Yeah! und schön, dass Ihr uns hier besucht habt. Wir freuen uns auf ein Wiederlesen! … Luna Luninata und der Milow H. Halunke.
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Seelenhunde: Geschichten und Gedanken über die Liebe zu unseren Hunden
Severine Martens
TwentySix, 15. März 2016
ISBN 978-3-95544-005-3
19,90 Euro
Nach langer Zeit bin ich durch ein Posting bei fb wieder auf diese Seite gekommen und – natürlich – kam ich hier mal wieder nicht weg :-). Du schreibst einfach so wunderbar ❤ …
Zum Thema: Ich habe seit 2007 ausschließlich Tierschutzhunde – momentan 3 an der Zahl. Wir leben ländlich in einem Haus mit großem Garten und Hof.
Ich bin der Meinung, dass Hunde eben nicht immer "funktionieren" (was für ein Wort bei einem Lebewesen) müssen. Unsere drei dürfen – denke ich mal – weitest gehend Hund sein.
Zum Thema Erziehung: die wichtigsten Kommandos müssen sitzen. Hierher und bleib! Mehr braucht es nicht. Den Rest lernen sie quasi in Form von "learning by doing" – im gemeinsamen Alltag bei entsprechenden Situationen. Ich halte nichts von Hundeschule oder Herumkommandieren.
Wir gehen 2 x am Tag Gassi und das sieht dann in der Regel so aus, dass sie aus Leibeskräften schnüffeln und nach Mäusen buddeln. Für 2,5 km benötigen wir nicht selten 45 – 60 Minuten :-)).
Aber sie sind danach einfach nur gechillt und glücklich.
Den Rest des Tages verbringen sie – je nach Belieben – im Haus/Garten/Hof und können sich frei bewegen.
Sie kommen übrigens nicht überall mit. Sie haben gelernt, auch mal ein paar Stunden allein (zu dritt) zu bleiben in dem Wissen, dass wir immer wieder zurück kommen. Ich finde das besser, als sie unnötigen Stresssituationen auszusetzen.
Ich bin sehr sehr glücklich, dass ich ihnen dieses Leben einfach schenken darf und kann. Alle drei haben mit Menschen sehr schlechte Erfahrungen gemacht und haben es nun verdient, auch einfach IHR DING machen zu dürfen…
Was mir Magenschmerzen bereitet ist, dass sich viele Menschen zwar einen Hund anschaffen, aber im Grunde ihr Bauchgefühl für dieses Lebewesen an ihrer Seite komplett verloren haben…oder überhören.
Und dieses Gefühl kann man eben in keiner Hundeschule – sei sie auch noch so gut – lernen….
Ich hoffe einfach, dass ich meine geliebten Fellies glücklich mache und sie eines Tages sagen können:
"Es war gut…dieses Leben…und ich gehe glücklich und zufrieden auf die andere Seite."
Liebe Grüße,
Karin mit "Trio Infernale" Santos, Nelli und GINI
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Oh, du hast so recht! Wenn ich morgens aufstehe und Lotta hallo sage und da schon merke, dass sie einen schlechten Tag hat, bin ich auch automatisch schlecht gelaunt. Mein Hund funktioniert nicht! Der ist bestimmt kaputt, der ist gar nicht die ganze Zeit lustig und freudig drauf! Obwohl mir immer gesagt wurde, Hunde wuerden im Hier und Jetzt leben und immer gluecklich sein. Egal. Muss man sich drauf einstellen und nach 4 Jahren habe ich es auch geschafft. Hat Lotta einen schlechten Tag, dann versuche ich am Besten, ihren Tag so toll wie irgend moeglich zu machen, wir gehen lange Gassi (dann aber an der Schleppleine, dann darf sie auch mal die Sau raus lassen, ohne angepampt zu werden) und versuchen so gut es geht jeglichen Menschen und Hunden aus dem Weg zu gehen 😀
Bellt Lotta mal andere Menschen an, finde ich das natuerlich doof, besonders, weil wir in einem Touristenort leben und wirklich vielen Menschen tagein tagaus begegnen und sie es eigentlich nie macht.
Aber ich weiss genau, was du meinst! Man sollte seinen Hund auch mal Hund sein lassen, auch gerne seinen schlechten Tag haben lassen, aber trotzdem niemandem wehtun! 🙂
Liebe Gruesse,
Paula
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Ja, ich versuche auch immer, meine beiden so viel ‚Luft‘ wie nur irgend möglich zu geben. Ist nicht immer leicht, sogar hier auf dem Land wo es manchmal auch nur so von Joggern, Nordicwalkern & Co, wimmelt. Letztendlich kommt es aber doch auf die Einstellung – auf unsere – und manchmal können auch wir Menschen uns etwas unseren Hunden anpassen.
Vielen lieben Dank Paula und Lotta. Schön, dass Ihr hier zu Besuch ward …
Liege Grüße zurück
Severine und die Gang
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Liebe Severine,
du hast so recht. Leider erkennen nur wenige, was mit unseren Hunden heute passiert. Gerade heute habe ich einen Artikel gesehen, in dem die Leistung des größten Tierheims der Welt hochgelobt wird. Da habe ich fast einen Brechreiz bekommen. Immerhin haben all diese Hunde (ich glaube es sind um die 5000) ihre Freiheit eingebußt und sind nun in Käfige eingesperrt. Und das soll eine tolle Leistung sein? Ob die Hunde das auch als toll bezeichnen würden, wenn sie gefragt würden und antworten könnten? Die sogenannte „gewaltfreie Hundeerziehung“ wird von Thomas Baumann als moderne Form der Tierquälerei bezeichnet. Man unterstellt Hunden, dass sie zu blöd sind, anhand von Erfahrungen zu lernen. Nein, sie müssen konditioniert werden. Genau wie du schreibst, damit sie auch ja überall funktionieren. Eine eigene Meinung für einen Hund? Nee, das geht ja nicht. Vielleicht würde es helfen, wenn alle Menschen, die einen Hund an ihrer Seite haben (wollen) mein Lieblingshundebuch „Merles Tür“ lesen, das ja auch du sehr schätzt, wie ich weiß. So mancher „moderne“ Hundehalter sieht seinen Hund nach der Lektüre vielleicht (wahrscheinlich) mit anderen Augen …
Liebe Grüße
Anke
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Ich danke Dir für Deinen Zuspruch, liebe Anke. Vielleicht geht das Desaster ja noch viel weiter als wir alle ahnen. Vielleicht führen ja gerade die unzähligen Versprechungen sog. gewaltfreier Hundetrainer, den Hund auf jeden Fall gesellschaftskompatibel machen zu können, dazu, dass immer mehr Leute sich einen Hund zulegen, ohnen wirklich Ahnung davon zu haben …. heiderjei!
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