Wenn Rico fehlt … – von Maximilian Pisacane

Maximilian Pisacane schreibt in unserer Reihe Beschreibungen eines Gefühls über die Liebe zu seinem Hund Rico. Die beiden stehen für eine fachlich fundierte, lebensnahe und ‚lifestylige‘ Unterhaltung in ihrem Hundeblog Gassireport. … Wir wünschen Euch viel Spaß beim Lesen!


Maximilian und RicoKennt ihr das? Dieses wohlig warme Gefühl, welches sirupgleich langsam die Innenseite der Haut heruntergleitet? Dabei diesen Kloß im Hals? Und dann dieses Kribbeln an den Herzwänden? Mal kitzelnd wie kleine Ameisen, mal juckend wie Brennessel, mal lodernd wie Flammen?

Genau das sind – im Groben und nur unzulänglich beschrieben – die Gefühle die ich bei meinem Hund habe. Doch gerade weil es so schwierig ist, in Worte zu packen, was genau ich für meinen Hund empfinde, beschreiben es die Gefühle, die ich bei seiner Abwesenheit habe vielleicht besser.

Einige von euch wissen ja vielleicht, dass Rico aus dem Tierheim stammt. Er war eine Beschlagnahmung durch den Amtsveterinär, weil er und seine Geschwister die ersten 11 Wochen nur einen völlig verdreckten Keller kannten. Von daher war seine Verlustangst anfangs recht stark. Sonst ein Traumhund, der nie eine Socke versteckte oder ‘nen Schuh zerkaute, zerfetzte er dann gern vorzugsweise was aus Papier, auch wenn ich nicht mal eine Minute weg war. Strategisch klug, denn er hatte nur gewartet: Als er groß genug war (also in seinem 1. Lebensjahr), da schredderte er dann die Ledercouch. Gut, mittlerweile hat er begriffen, dass ich immer wieder zurück komme. Und so kann ich ihn auch alleine lassen ohne zu befürchten, die gesamte Wohnung neu einrichten zu müssen – ne zerfetzte Zeitung oder Brief muss ich meistens aber immer noch wegräumen.

4Nun aber zu mir: Ist mein „Kleiner“ nicht bei mir, so fühl ich mich irgendwie „amputiert“. Aber es ist nicht nur das Gefühl, als fehte was. Nein mehr noch, ich fühle mich wahrlich „eingeschränkt“. Verrückt? Nein, gar nicht. Das kannte ich schon aus meiner Kindheit mit früheren Hunden. Denn so ein Fellfreund erschließt einem eine wunderbare Welt. Im Team nehme ich viel mehr wahr, registriere Dinge, die mir ansonsten entgangen wären… Das liegt daran, dass ich meine Aufmerksamkeit nun „verteile“? Ja, sicherlich. Aber sicher auch, weil mein Hund die Welt mit anderen Sinnesprioritäten wahrnimmt und mir dieses wiederum signalisiert. Kein Wunder, dass viele Anthropologen und Prähistorkiker, die sich mit der Geschichte der Hunde beschäftigt haben, der Meinung sind, dass die Verbindung Hund-Mensch ein nahezu unschlagbares Team bildet.

Doch das ist nur der physische Aspekt der Amputation. Aber sie alleine reicht schon aus, dass ich nach einiger Zeit ohne meinen Hund mich irgendwie unwohl fühle. Wie jemand, der die Welt nicht mehr zur Gänze wahrnimmt – so als sei man in eine abschirmende Watte gepackt, durch die Gerüche, Geräusche und andere Sinneswahrnehmungen nur noch gedämpft durchkommen.

1Doch mindestens genauso ins Gewicht fällt die emotionale Amputation, die ich empfinde, wenn wir etwas länger getrennt sind. Da ist zunächst das Fehlen all der kleinen Freundessignale, all der Nasenstupser, Pfotentascher, Anlehnen und so manche Clownerie, die so zwischendurch ein Hundehalter erlebt. Doch das wächst und gärt: Irgendwann ist es die pure Abwesenheit, die im Herzen brennt – er fehlt. Freunde haben sogar schon beobachtet, wie meine Nervosität stieg, je länger wir getrennt waren – und sie haben damit Recht (interessanterweise haben Beobachter Ähnliches bei Rico gesehen, wenn ich ging).

Er ist kein Super-Hund. Er kann keine besonderen Tricks, hat keinen edlen Stammbaum oder sonst sowas. Auch singt er weder Mozarts „Zauberflöte“ oder tanzt zu „Dirty Dancing“ (er hat eh eher eine Vorliebe für Hardrock), noch kann er die Zahl Pi bis auf 10 Stellen hinter dem Komma berechnen. Aber er hat eine Superkraft – die für mich wichtigste: Ich fühl mich in seinem Beisein wohl und er bringt mich zum Lachen.


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Rico – Autor vom Hundeblog ‚Gassireport‘

Maximilian Pisacane betreibt unter Anleitung seines Hundes Rico das Hundeblog Gassireport, vielen lieben Dank Euch beiden für diese wunderschönen Worte!

Morgen schreibt für uns Anna Lenz, Hundeblog Canistecture und Projekt FRÜHLINGShund, über die Liebe zu ihre Gefühlhund Lemmy.

Die Fotos in diesem Artikel und der Vorschau stammen von der Fotografin Antje Hachmann, alle Rechte bei der Künstlerin.

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